Bericht zum Kolloquium 2023

“Deutschlandticket - Speerspitze für die Mobilitätswende ! " - oder doch nur “Deutschlandticket - Speerspitze für die Mobilitätswende ? “? Diese Fragestellung war das diesjährige Thema unseres Kolloquiums.

Wie immer Anfang November hat sich eine große Anzahl Interessierter in Hannover versammelt, um Standpunkte zu hören, Hintergrundinformationen zu bekommen und Sichtweisen gemeinsam zu diskutieren.

Es sollten aller Organisationsebenen, die an dem Angebot “Deutschlandticket” beteiligt sind, zur Sprache kommen.

Leider war Herr Dr. Till Ackermann, Fachbereichsleiter VDV, terminlich verhindert, so dass die Sicht des VDV als Vertreter der Verkehrsverbünde und Verkehrsbetriebe zur Zielsetzung der Politik und zu den Zukunftsaussichten des Deutschlandtickets kurzfristig entfallen musste.

Damit begann das Kolloquium direkt mit der Sicht und den Erwartungen der Aufgabenträger, vorgetragen von Frau Carmen Schwabl, Sprecherin der Geschäftsführung LNVG.

Als Aufgabenträger mit Blick auf Entwicklung, Verbesserung und Koordination des Nahverkehrs war die Frage nach Einführung des Tickets: was soll mit dem Ticket erreicht werden? Ist es die Tarifwende hin zu einem allgemeingültigen deutschlandweiten Nahverkehrsticket, oder doch nur ein zusätzliches Ticket auf dem Markt, das jeder Aufgabenträger mit weiteren Nutzungsoptionen ausgestalten kann? Wer kann mit dem Ticket angesprochen werden, ist es ein Schritt hin zu Mobilitätswende?

Westfalen-Bahn

Erste Auswertungen der Nutzungsdaten zeigen, dass der überwiegende Teil der Nutzer Umsteiger von bisherigen Ticketoptionen sind. Insbesondere in den Großräumen wird das Angebot gut angenommen, aber auf dem Land, auch mangels entsprechender verkehrlicher Optionen, ist die Nachfrage gering. Der Anteil Neukunden liegt nur im mittleren 1-stelligen Prozentbereich. Und die Gründe dafür sind auch bekannt: kein passendes Angebot, ÖPNV dauert zu lange, umständliche Verbindungen. Dem muss mit Angebotsausweitung und Qualitätsverbessrung bei gleichzeitiger Optimierung des Verkehrs begegnet werden. Nur so kann die angestrebte Mobilitätswende erreicht werden. Das Deutschlandticket ist da nur ein Zahnrad im Uhrwerk. Letztendlich ist die Finanzierungszusage durch den Bund und die Aufteilung der Mindereinnahmen über 2023 hinaus eine wesentliche Voraussetzung, dass das Deutschlandticket langfristig erfolgreich wird.

Den Ausführungen folgte die Beschreibung der Probleme bei der Einführung und Umsetzung des Deutschlandticket sowie erste Ergebnisse aus Sicht der Verkehrsverbünde, vorgetragen durch Herrn Stefan Tiedgen, Prokurist der GVH.

Für die Verkehrsverbünde bestand die Herausforderung darin, in der Kürze der Vorlaufzeit zwischen Beschluss zur Einführung des Deutschlandtickets und Start des Tickets die organisatorischen Voraussetzungen für die Vermarktung des Tickets zu schaffen und alle Systeme anzupassen. Die gewünschte rein digitale Variante des Tickets konnte daher nicht immer umgesetzt werden, Chipkarten und Papiertickets mussten mit eingeplant werden. Und wenn dann in der heißen Phase der Einführung auch noch der Server gehackt wird, ist der geordnete Anlauf des Angebots empfindlich gestört, mit allen sich daraus ergebenden Nachwirkungen.

Zum Abschluss gab Herr Kai-Henning Schmidt, Geschäftsführer SVHI und RVHI, mit einem Erfahrungsbericht Einblick in die Sicht der Verkehrsbetriebe.

Aufgrund der in den Betrieben oft nur kleinen Personaldecke für die Organisation mussten alle Kapazitäten auf die Einführung des Deutschlandtickets gelegt werden. Alles weitere des üblichen Tagesgeschäfts (z.B. Jobticket) musste zurückgestellt werden. Eine besondere Herausforderung stellt sich für Betriebe, die Verkehre in Eigenwirtschaftlichkeit erbringen, auf dieser Basis Konzessionen für den Stadtverkehr ohne Ausschreibung erhalten haben. Wenn durch das Deutschlandticket eine Subventionierung Einzug hält, ist die Befürchtung, dass der Betreiber dann in den Wettbewerb mit allen Unwägbarkeiten geschickt wird.

Will der Landkreis, der den regionalen Busverkehr bestellt, kein weiteres Geld für eine Subventionierung in die Hand nehmen, verweist er auf Bund und Land. Die Folgen dürften sein, daß der Bund sich weigert, weitere Mittel zur Verfügung zu stellen und auf das Rationalisierungspotential bei den Verbünden verweist.

S-Bahn Hannover

Tenor der Betrachtungen war, das mit dem Deutschlandticket ein gutes Angebot geschaffen wurde, um den Einstieg in den ÖPNV zu erleichtern. Für die Beteiligten auf allen Ebenen stellte es eine große Herausforderung dar, in der Kürze der gegebenen Zeit vom politischen Beschluss bis zum Start des Deutschlandtickets alle organisatorischen und praktischen Voraussetzungen zur Umsetzung zu schaffen.

Durch die von den Verbünden angebotene Übertragung der Zeitkarten auf das Deutschlandticket muss entsprechend gesagt werden, dass es für Dauernutzer des ÖPNV eine, teils erhebliche, finanzielle Erleichterung darstellt, aber wirklich Neukunden und Umsteiger vom Auto nur in sehr geringem Anteil zu beobachten sind.

Als Fazit der bisherigen Erfahrungen muss zur Eingangs aufgeworfenen Fragestellung gesagt werden, dass die Einführung des Deutschlandtickets ein guter Anreiz ist, den Bürger mit dem ÖPNV besser bekannt zu machen, aber nicht wirklich ein ausschlaggebender Baustein zur angestrebten Mobilitätswende sein kann. Oder möchte der Bund gar beweisen, dass die Verkehrswende gar nicht funktionieren kann?

Im Anschluß an das Kolloquium fand noch die außerordentliche Mitgliederversammlung zur Abstimmung über die notwendigen Änderungen in der Vereinssatzung statt.

Ausklang fand der Tag traditionell in der Gaststätte nebenan bei gemütlichem Beisammensein.

Herzlichen Dank an die Organisatoren für das wie immer interessante Kolloquium.

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